Zu lange Kündigungsfristen bei Prüfungsverbänden möglicherweise verfassungswidrig und damit auf sechs Monate zu kürzen

Nach § 39 Abs. 2 Halbsatz 2 BGB kann ein Verein, z. B. ein genossenschaftlicher Prüfungsverband, in der Satzung eine Kündigungsfrist bis zur Höchstdauer von zwei Jahren festlegen. Einige Prüfungsverbände haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und die maximal mögliche Kündigungsfrist von zwei Jahren in ihre Satzung aufgenommen. Dabei muss dann auch auf die übliche Regelung verzichtet werden, dass eine Kündigung erst zu bestimmten Zeitpunkten wirksam wird, also zum Jahresende, Quartalsende, Monatsende usw. Denn eine solche Regelung, z. B. ein Wirksamwerden erst mit Ablauf des Kalenderjahres, hätte bei einer zweijährigen Kündigungsfrist deren Verlängerung auf bis zu drei Jahre zu Folge, was dann eindeutig rechtswidrig und unwirksam wäre. Eine Kündigung einer Mitgliedschaft z. B. beim „GenossenschaftsVerband“ (e. V.) würde also exakt zwei Jahre nach dem Zugang der Kündigungserklärung beim Verein wirksam werden.
Nachdem der Bundesgerichtshof schon 1977 und 1980 die Frist für die Kündigung einer Mitgliedschaft bei einer Gewerkschaft auf sechs Monate begrenzt hat, hatte er jetzt endlich in einem Urteil vom 29. Juni 2014, Az. II ZR 243/13, über die Länge der Kündigungsfrist bei einem Arbeitgeberverband zu urteilen. Der BGH hat dabei entschieden, dass die gegenüber dem BGB vorrangige Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz, die individuelle Freiheit eines Vereinsmitgliedes, auch Kündigungsfristen bei Arbeitgeberverbänden, die länger sechs Monate dauern sollen, auf diesen Zeitraum beschränken. Die Kündigung würde also exakt sechs Monate nach dem Zugang der Kündigungserklärung beim Arbeitgeberverband wirksam werden, auch wenn die Satzung des Arbeitgeberverbandes eine längere Kündigungsfrist vorsieht. Der Mitgliedsbeitrag ist dann entsprechend nur noch anteilig für den Zeitraum bis zum Ablauf der verkürzten Kündigungsfrist zu zahlen. 
► Urteil des Bundesgerichtshofes vom 19. Juli 2014, Az. II ZR 243/13

Die Argumentation des BGH lässt sich zum Teil auch auf die Kündigungsfrist bei genossenschaftlichen Prüfungsverbänden übertragen, zumal durch die Pflichtmitgliedschaft die Koalitionsfreiheit der Genossenschaften in erheblich größerem Umfang eingeschränkt ist als bei anderen Unternehmensverbänden.
Das OLG Jena hat sich aber nunmehr in einem Urteil vom 26. November 2014 über die Prüfung einer Genossenschaft bei Mitgliedschaft in zwei Prüfungsverbänden auch zu dieser Frage geäußert, II. 2. d) (richtig: e) / S. 13f. der Urteilsbegründung. Es lehnt eine Übertragung dieses BGH-Urteils auf genossenschaftliche Prüfungsverbände ab, weil die freiwillige Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband „ein anderer Sachverhalt“ sei.

► Urteil des OLG Jena vom 26. November 2014 – 7 U 344/14
Unter den Vereinen dürfte ein Arbeitgeberverband aber einem genossenschaftlichen Prüfungsverband am Nächsten stehen: Beide haben ausschließlich Arbeitgeber als Mitglieder. Warum aber der unterschiedliche Grad der Freiwilligkeit – eine Genossenschaft muss bei irgendeinem Prüfungsverband Mitglied sein, sie muss aber als Arbeitgeber nicht Mitglied eines Arbeitgeberverbandes sein – zusätzlich zu einer weiteren Beschränkung der Freiheit der Genossenschaften durch eine Bindung an die nach dem BGB längst zulässige Kündigungsfrist von 24 Monaten führen darf, bleibt ein Geheimnis des OLG Jena.
Es bleibt abzuwarten, ob der BGH bei einer Revision gegen das Urteil des OLG Jena seine Rechtsprechung zu Arbeitgeberverbänden auch auf genossenschaftliche Prüfungsverbände überträgt.
Den Hinweis auf das Urteil des BGH erhielten wir übrigens von einem genossenschaftlichen Prüfungsverband, der scheinbar weniger Angst hat, dass ihm seine Mitglieder „davonlaufen“, da nach seiner Satzung die Kündigungsfrist nur drei Monate zum Jahresende beträgt (das sind im Extremfall allerdings auch fast 15 Monate zwischen dem Eingang der Kündigung beim Verband und deren Wirksamwerden).

Oberlandesgericht Jena: Genossenschaften müssen sich bis zu zwei Jahre durch den bisherigen Prüfungsverband prüfen lassen
In dem Rechtsstreit zwischen einem genossenschaftlichen Prüfungsverband und einer Genossenschaft um die Frage der Zuständigkeit zur Prüfung bei Mitgliedschaft in zwei Prüfungsverbänden hat das Thüringer Oberlandesgericht in Jena nunmehr entgegen dem erstinstanzlichen Urteil des Landgerichtes Gera die Freiheit bei der Wahl des prüfenden Verbandes begrenzt.

► Urteil des OLG Jena vom 26. November 2014 – 7 U 344/14
Die Genossenschaft wurde verurteilt, bis zum Wirksamwerden der Teilkündigung die Prüfung nach durch den klagenden Genossenschaftsverband zu dulden und zwar unabhängig davon, ob diese Geschäftsjahre bereits durch einen anderen Prüfungsverband geprüft wurden. Nach Ansicht des OLG Jena wird hier die Kündigung erst im Laufe des Monats Dezember 2015 wirksam und das letzte vom klagenden Genossenschaftsverband zu prüfende Geschäftsjahr ist 2014.

1.







































 
Jeder am Wirtschaftsleben Teilnehmende hat ein Interesse daran, seine Kunden möglichst lange und zu für sich vorteilhaften Bedingungen an sich zu binden. Auch die genossenschaftlichen Prüfungsverbände sind insofern wirtschaftliche Unternehmen (obwohl sie es an sich nicht sein dürften, s. § 22 BGB und vgl. z. B. ADAC – aber das ist ein anderes Thema).

Prüfungsverbände versuchen daher durch möglichst lange Kündigungsfristen in ihren Vereinssatzungen und weitere Vorschriften, wie die Prüfungspflicht für die Vereinsmitglieder und weitere Bedingungen, alle Mitglieder zu Prüfungen zu zwingen und einen Wechsel des Prüfungsverbandes wenn nicht zu verhindern, so doch zumindest zu erschweren. In Satzungsberatungen durch die Prüfungsverbände wird z. T. auch empfohlen, durch die Aufnahme des beratenden Prüfungsverbandes in den Satzungstext und eine Regelung, dass über den Wechsel des Prüfungsverbandes die Vertreter- bzw. Generalversammlung zu beschließen habe, weitere Hürden zu errichten, obwohl diese zumindest im Außenverhältnis zwischen der Genossenschaft und dem Prüfungsverband unwirksam sein könnten (anderer Ansicht aber möglicherweise das OLG Jena).
Das Landgericht Gera hatte sich in daher auch mit der Behauptung auseinanderzusetzen, dass über die Vergabe des Auftrags zur Durchführung der gesetzlichen Prüfung an einen genossenschaftlichen Prüfungsverband die Generalversammlung zu beschließen hätte.
Diese Ansicht dürfte auf einem falschen Verständnis des § 318 Abs. 1 HGB und dessen unzulässiger Anwendung auf Genossenschaften beruhen. Denn nach dieser nur für Kapitalgesellschaften, also nicht für Genossenschaften, geltenden Vorschrift werden die Abschlussprüfer „von den Gesellschaftern gewählt“. Wie sich schon aus dem Gesetzestext ergibt, muss nur bei einer Aktiengesellschaft zwingend die Hauptversammlung über den Abschlussprüfer beschließen, wobei allein der Aufsichtsrat ein entsprechendes Vorschlagsrecht hat. Bei GmbH, offenen Handelsgesellschaften (oHG) und GmbH & Co. KG darf aber die Satzung die Bestimmung des Abschlussprüfers anders regeln, z. B. Auswahl durch den Aufsichtsrat. Die Sondervorschriften für die Prüfung von Genossenschaften im HGB, §§ 336 – 339, enthalten über die Bestimmung des Abschlussprüfers richtigerweise keine Regelung, da dies für Genossenschaften im GenG geregelt ist. Deshalb kommt eine Übertragung von § 318 HGB auf Genossenschaften schon von vornherein nicht in Betracht. Aber selbst wenn man systemwidrig den § 318 Abs. 1 HGB auch auf Genossenschaften anwenden würde: Warum soll dann die nur für AG bestehende zwingende Rechtslage auch für Genossenschaften gelten und nicht die Möglichkeit einer abweichenden Satzungsregelung wie bei GmbH, oHG und GmbH & Co. KG?

►LG Gera, Urteil vom 06. Mai 2014, Az. 4 O 1512/13
  Für das Landgericht Gera war daher allein maßgeblich die Regelung in der Satzung der Genossenschaft, nach der dort über den Austritt aus genossenschaftlichen Verbänden Vorstand und Aufsichtsrat zu beschließen haben.
Zur Vereinssatzung des Klägers, eines genossenschaftlichen Prüfungsverbandes, hat das Landgericht Gera entschieden, dass diese der Genossenschaft keine über §§ 53 ff. GenG hinausgehende Verpflichtungen zur Prüfung auferlegt und auch nicht auferlegen kann. Das OLG Jena geht in seinem Urteil auf diese Fragen nicht näher ein. Möglicherweise hält es entweder einen Beschluss der Generalversammlung oder einen von Vorstand und Aufsichtsrat für erforderlich. Offen bleibt, ob und inwiefern hier die Satzung des Prüfungsverbandes oder die der Genossenschaft oder beide oder nur das Gesetz maßgeblich ist. Es sollten daher bei einem Entzug der Prüfungsaufgabe oder einer (Teil-) Kündigung zumindest Vorstand und Aufsichtsrat darüber einen Beschluss fassen, sofern nicht die Satzung der Genossenschaft (ggf. die des Verbandes) darüber hinaus einen Beschluss der Generalversammlung verlangen. In einem solchen Fall sollte nunmehr dann vorsorglich ein solcher Beschluss der Generalversammlung ebenfalls veranlasst werden und sei es als nachträgliche Genehmigung der Willenserklärung des Vorstandes.

2.








 
In der Urteilsbegründung des OLG Jena ist schon bemerkenswert, dass das Gericht trotz der eindeutigen Mitteilung der Genossenschaft, dass ein anderer Verband mit der Prüfung des Geschäftsjahres 2012 beauftragt sei, dies nicht als Entzug der Prüfungsaufgaben und/oder Teilkündigung verstanden und ausgelegt hat. Maßgebend für das Gericht war nur der Zugang der ausdrücklichen Kündigung der Mitgliedschaft im Dezember 2013, auf Grund der die Prüfungspflicht der Genossenschaft und das Prüfungsrecht des Genossenschaftsverbandes erst nach Ablauf der nach der Satzung des Prüfungsverbandes geltenden Frist von 24 Monaten enden würden.

3.
















 
Hinsichtlich der Länge der Kündigungsfrist geht das Gericht zwar auf das aktuelle Urteil des Bundesgerichtshofes vom 29. Juli 2014 ein, nach der eine Kündigungsfrist von 24 Monaten bei einem Arbeitgeberverband auf Grund Artikel 9 Abs. 3 des Grundgesetzes zu lang und daher auf 6 Monate zu begrenzen sei. Das OLG Jena lehnt aber eine Übertragung dieses BGH-Urteils auf genossenschaftliche Prüfungsverbände ab, weil die freiwillige Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband „ein anderer Sachverhalt“ sei.

Unter den Vereinen dürfte ein Arbeitgeberverband aber einem genossenschaftlichen Prüfungsverband am Nächsten stehen: Beide haben grundsätzlich ausschließlich Arbeitgeber als Mitglieder. Warum aber der unterschiedliche Grad der Freiwilligkeit – eine Genossenschaft muss bei irgendeinem Prüfungsverband Mitglied sein, sie muss aber als Arbeitgeber nicht Mitglied eines Arbeitgeberverbandes sein – zusätzlich zu einer weiteren Beschränkung der Freiheit der Genossenschaften durch eine Bindung an die nach dem BGB längst zulässige Kündigungsfrist von 24 Monaten führen darf, bleibt ein Geheimnis des OLG Jena.

4.













































 
Trotz scheinbar in andere Richtung deutende Ausführungen des OLG ist schon bei den vorstehend erörterten Punkten erkennbar, dass das Urteil im Zweifel immer zu Gunsten der Prüfungsverbände und gegen die Freiheit der Genossenschaften gerichtet ist.

Bezeichnend für die gewisse Voreingenommenheit des Gerichtes ist z. B., dass ein Recht der Genossenschaft zur Wahl des prüfenden Verbandes als Ansicht aus älteren Auflagen von Kommentaren dargestellt wird, obwohl der dabei u. a. aufgeführte Kommentar von Bauer, ehem. Chefsyndikus des Genossenschaftsverbandes Bayern e.V., schon nach den zu dieser Frage zitierten weiteren Fundstellen aus dem Jahre 2011 eindeutig ein sehr aktuelles Werk ist, nämlich eine Nachlieferung zu diesem Lose-Blatt-Werk aus dem Jahre 2012 („GH/Lfg. 3/12, X.12“).

Das Thüringer OLG geht bei seiner Begründung im Wesentlichen von der Darstellung und dem Verständnis des Genossenschaftswesens aus, wie es in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 19. Januar 2001 niedergelegt ist. Ob diese Darstellung und deren Wertungen insbesondere auch heute noch den Realitäten der Genossenschaften und der weiteren Entwicklung des Verbandswesens entspricht, wird an keiner Stelle auch nur erörtert, geschweige denn in Zweifel gezogen.

Es bleibt daher auch nach diesem Urteil offen, warum eine Genossenschaft im Unterschied zu größeren Kapitalgesellschaften (GmbH und AG) nicht durch einen frei gewählten Wirtschaftsprüfer geprüft werden darf und warum „prekäre“ Erscheinungen des Wirtschaftslebens, wie „Limited“, „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ („UG“ - als vom Gesetzgeber erst seit wenigen Jahren kleinen Unternehmern als Alternativangebot zur britischen Ltd. angebotene Rechtsform) sowie „Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ usw. ihr (Un-)Wesen treiben können und sich, ihre Gläubiger und Vertragspartner sowie die Allgemeinheit Probleme bereiten wenn nicht sogar schädigen, ohne dass diese geprüft werden müssen, geschweige denn Mitglied von einem Prüfungs- oder anderem Verband sein müssen.
Zuviel verlangt wäre es allerdings vom OLG zu erwarten, dass es auf die unzutreffende Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse zur Begründung von Pflichtprüfung und –mitgliedschaft und der auf nationalsozialistischem Gedankengut beruhende Einführung der Pflichtmitgliedschaft 1934 eingegangen wäre. Interessant ist aber in diesem Zusammenhang die Feststellung des Gerichtes, dass zurzeit der Entstehung der Vorschrift über die Pflichtmitgliedschaft in einem Prüfungsverband (also 1934) „es faktisch keine Auswahl zwischen mehreren Prüfungsverbänden“ gegeben hätte.

Diese letztlich mit rationellen, nachgewiesenen Argumenten nicht nachvollziehbare besondere Situation bei den Genossenschaften könnte auch darauf beruhen, dass hier versteckt und weit gehend unerkannt immer noch nationalsozialistisches Gedankengut fortwirkt.

5.





















 
Das OLG stellt klar, dass jede Genossenschaft Mitglied in mehreren Prüfungsverbänden werden darf.

Die Genossenschaft übernehme aber mit ihrem Beitritt zum Prüfungsverband die Pflichten nach dessen Satzung, also auch eine darin enthaltene Pflicht zur Prüfung durch den Verband.

Zugegebenermaßen ist das OLG aber den im Interesse der Genossenschaftsverbände (und in deren Auftrag?) sehr weitgehenden Vorstellungen von Beuthien nicht gefolgt.

So wird ausdrücklich vom OLG Jena abgelehnt, dass bei Mitgliedschaft in mehreren Prüfungsverbänden jeder Verband dann die Genossenschaft prüfen müsste. Das OLG setzt sich aber in seinem Urteil dann nicht damit auseinander, ob durch die tatsächlich durchgeführte Prüfung des Geschäftsjahres 2012 sich damit nicht eine solche dieses Jahres durch den klagenden Prüfungsverband erledigt hätte und dieser allenfalls z. B. ein Schadensersatzanspruch in Bezug auf das ihm entgangene Prüfungshonorar oder zumindest seinen Gewinn aus dieser Prüfung hätte. Das OLG Jena gesteht einer Genossenschaft zwar das Wahlrecht hinsichtlich des zu prüfenden Verbandes zu. Eine Übertragung des Prüfungsrechts auf einen anderen Verband wird aber erst wirksam nach Ablauf der Kündigungsfrist beim bisher prüfenden Verband.

6.





























































 
Das OLG Jena verkennt bei seiner Betonung der vereinsrechtlichem Rücksichtnahme und Treuepflicht in Bezug auf die anderen Verbandsmitglieder und den Verband selbst, dass die Realität eine andere ist:

Bei den meisten Verbänden und für die überwiegende Zahl der Mitglieder findet ein Verbandsleben nicht statt und die Mitglieder haben auch kein Interesse daran. Zudem haben einige Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften den Markt der Genossenschaften entdeckt und pro forma genossenschaftliche Prüfungsverbände gegründet, die z. B. über kein eigenes Personal verfügen. Diese Schein-Prüfungsverbände treten als solche auf, um die für Genossenschaften geltenden gesetzlichen Vorschriften zu erfüllen (insbesondere Ausstellung und Vermittlung von Prüfungsbescheinigungen an die Genossenschaftsregister). Die eigentliche Prüfungstätigkeit wird dann von den dahinter stehenden Wirtschaftsprüfern und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften erledigt.
Wenn das OLG Jena auch auf die finanzielle und organisatorische Basis der Prüfungsverbände als angeblich unerlässliche Voraussetzung des Funktionierens des Prüfungssystems verweist, so ist dies gerade im Hinblick auf die bereits erwähnten Schein-Prüfungsverbände sehr fragwürdig. Wer aber dann zusätzlich nach genauer Prüfung der Jahresabschlüsse von manch genossenschaftlichen Prüfungsverbänden erkennt, dass diese scheinbar den Hauptzweck haben, die unangemessen hohen Jahresentgelte ihrer Vorstände zu finanzieren, erkennt, dass auch dieses Argument des OLG Jena an der Realität vorbeigeht.
Die vom BGH 1995 und jetzt auch vom OLG besonders betonte Verlässlichkeit der Kalkulation der Investition in freiwillige Aufgaben und darüber hinaus insbesondere bei der Kernaufgabe der Pflichtprüfung ist gerade bei diesen Schein-Prüfungsverbän-den nicht erforderlich. Darüber hinaus ist darauf zu verweisen, dass jeder Selbstständige und Freiberufler, insbesondere auch Ärzte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte sowie Unternehmensberater, auch in der Regel keine längere feste vertragliche Bindung zu ihren Mandanten haben, sondern darauf angewiesen sind, dass die Patienten bzw. Mandanten ihnen regelmäßig oder ab und zu Aufträge erteilen (diese und alle anderen hätten natürlich auch gerne eine gesetzliche Verpflichtung: „Jedes Unternehmen und jeder Selbstständige muss eine dauerhafte vertragliche Bindung zu einem Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwalt, Gebäudereiniger, Kammerjäger usw. haben.“).
Wer die Wiederholung der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichtes liest und dabei an die Realitäten bei den Genossenschaften und insbesondere an die Prüfungsverbände denkt, wird leicht erkennen, dass hier eine Diskrepanz zwischen einerseits Wunsch- sowie Idealvorstellungen und andererseits der Realität besteht.
Auch die vom Bundesverfassungsgericht als Vorteil des gesetzlichen Prüfungssystems gesehene
- Verhinderung des Ausweichens vor unbequemen Prüfern bzw. einem unbequemen Verband,
- die durch die enge Einbindung der Prüfungsverbände herbeigeführte faktische Einflussnahme auf die Geschäftspolitik der Vorstände,
- die angeblich bewirkte Schaffung von Voraussetzungen, dass die Rechtsform der Genossenschaft im Wirtschaftsleben bestehen kann und die Rechtsform der Genossenschaft als Mittel zur Selbstverwaltung und Selbstorganisation tendenziell wirtschaftlich Schwacher aufrechterhalten bleibt
- sowie der angebliche Schutz der Gläubiger der Genossenschaft vor Schäden
führen aber in der Realität zu der Situation, dass die Prüfungspflicht und Pflichtmitgliedschaft in Prüfungsverbänden sich als erheblicher Nachteil der Rechtsform Genossenschaft gegenüber anderen Rechtsformen herausgestellt hat, so dass diese insbesondere von Existenzgründern und generell allen Unternehmen nur sehr selten gewählt wird.
Aber auch hier stellt sich die Frage, warum, wenn die Pflichtmitgliedschaft und Prüfungspflicht so erforderlich und nützlich sind, nicht auch die kleineren Kapitalgesellschaften (GmbH) und nicht generell alle Unternehmen und Selbstständigen in Genuss solcher „Wohltaten“ gelangen sollen.

7.





 
Das OLG Jena lässt ausdrücklich offen, ob die Wahl des zu prüfenden Verbandes durch die Genossenschaft eine Teilkündigung gegenüber dem bisher prüfenden Verband verlangt. Jedenfalls ist eine eindeutige Erklärung über den Entzug der Prüfungsaufgabe gegenüber dem betroffenen Verband zwingend erforderlich, wozu zumindest nach den Ausführungen des OLG Jena unbedingt eine eindeutige Willenserklärung der Genossenschaft erforderlich ist.

8.








 
Das OLG Jena ist sich zumindest der Problematik der anstehenden Fragen bewusst gewesen und hat daher ausdrücklich die Revision zum BGH zugelassen. Es bleibt zu hoffen, dass die für letztlich alle Genossenschaften mehr oder weniger wesentlichen Fragen durch eine Revision beim BGH besser entschieden werden oder sogar nach einer Entscheidung des BGH erneut der Weg zum Bundesverfassungsgericht offen steht, dieses Mal hoffentlich nicht nur für einen Beschluss über die Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde, sondern zu einem grundlegenden Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das die volle Koalitionsfreiheit auch für Genossenschaften und damit die Rechtslage bis 1934 wieder herstellt.

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