Fundstück in der F.A.Z. vom 23. Juni 2020: Ein neuer Prüfer mit viel Ehrgeiz
Genossenschaften schicken Awado ins Rennen
geg. FRANKFURT. Neue Wirtschaftsprüfungsgesellschaften treten selten auf den Plan. Auch Awado ist nicht ganz neu. Aber unter diesem Namen greifen die Genossen die etablierten Wirtschaftsprüfer jetzt aktiv an.
Um das zu verstehen, muss man die Zweiteilung des Marktes für Wirtschaftsprüfer kennen. Neben dem öffentlichen Markt, der von Namen wie PWC, EY, KPMG, Deloitte oder BDO beherrscht wird, gibt es einen zweiten, in sich abgeschotteten Markt. Seit den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts sind genossenschaftlich organisierte Unternehmen verpflichtet, einem genossenschaftlichen Prüfverband anzugehören. Einer der größten Pflichtverbände ist der Genossenschaftsverband - Verband der Regionen e.V., Neu-Isenburg bei Frankfurt, der Genossenschaften zwischen Flensburg und Frankfurt prüft. Dazu gehören viele kleine Genossenschaften, aber auch der Pharmagroßhandel Noweda mit mehr als 7 Milliarden Euro Umsatz, die Apotheker- und Ärztebank, die Berliner oder die Frankfurter Volksbank. Banken zu prüfen ist auf Grund bankenaufsichtlicher Besonderheiten eine besondere Herausforderung. Der entsprechende Aufwand lohnt nicht für die wenigen Institute.
Genau das ist für den Vorstandsvorsitzenden des Genossenschaftsverbandes, Ingmar Rega, der Grund, aus dem genossenschaftlichen Korsett auszubrechen. "Wirtschaftsprüfung und Beratung sind Skalengeschäfte. Eine Grundsatzabteilung rechnet sich nicht für zehn Mandate", sagt Rega. Der Genossenschaftsverband mache derzeit etwa 200 Millionen Euro Umsatz in der Wirtschaftsprüfung. Davon entfallen mehr als 170 Millionen auf das angestammte und konkurrenzlose Geschäft der Prüfung von Genossenschaften. Aber mit der Gesellschaft Awado betreue der Genossenschaftsverband auch heute schon sogenannte Drittmandate außerhalb des genossenschaftlichen Bereichs.
Diese Awado soll in den kommenden Jahren ihren Umsatz auf 100 Millionen Euro mehr als verdreifachen. Einschließlich der bisherigen Prüfung käme man dann auf 300 Millionen Euro Umsatz. Das würde reichen, um im Markt für Wirtschaftsprüfer deutlich unter die größten zehn Prüfungsgesellschaften zu kommen, etwa gleichauf mit BDO (heute Nummer vier), Rödl oder Ebner Stolz. Für vermessen hält Rega diesen Anspruch nicht, denn man prüfe ja auch heute schon große Banken und sehe sich durchaus in der Lage, künftig auch um frei werdende Mandate bei Industriebanken mitzubieten wie beispielsweise bei einer Siemens Bank. Unterhalb der Dax-Unternehmen seien viele Mandate für Awado interessant. Auf das fehlende Auslandsnetz angesprochen, verweist Rega auf die Kooperation mit der Prüfungsgesellschaft Warth & Klein, die Awado Zugang zum internationalen Netzwerk Grant Thornton eröffne.
Neben organischem Wachstum mit neuen Kunden blicke man sich auch aktiv nach Übernahmekandidaten im Wirtschaftsprüfungsbereich um. Dort sieht Rega viele kleinere Gesellschaften mit einstelligen oder niedrigen zweistelligen Millionenumsätzen, die es mit der zunehmenden Regulatorik und auch der Digitalisierung der Branche schwer haben. Hier seien Übernahmen denkbar. Awado hat bereits Übernahmen wie die der Hanse Wirtschaftsprüfungsgesellschaft aus Rostock hinter sich.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.06.2020, Nr. 143, S. 18
Autor Georg Giersberg
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