Die Zukunft der genossenschaftlichen Prüfungsverbände, der genossenschaftlichen Pflichtprüfung und des Zwanges, Mitglied eines Prüfungsverbandes zu sein

Bei den genossenschaftlichen Prüfungsverbänden bestehen gegenläufige Entwicklungen:

Früher, damit gemeint sind die „alte“ Bundesrepublik und die Zeit vor 1990, bestanden flächendeckend in Deutschland regionale Prüfungsverbände, die sich auf die Genossenschaften in ihrem jeweiligen Gebiet beschränkten. Daneben gab es für bestimmte Arten von Genossenschaften noch gesonderte Prüfungsverbände, die in der Regel dann auch bundesweit ihre Mitglieder hatten.

Die immer schon erfolgten Fusionen von Prüfungsverbänden erhielten einen zusätzlichen Schub und eine besondere Zielrichtung, weil der „Genossenschaftsverband“ ohne weiteren Namenszusatz anstrebt, das gesamte Bundesgebiet als flächendeckender einziger genossenschaftlicher Prüfungsverband für alle Genossenschaften zu erfassen. Diesem Ziel ist er durch zahlreiche Fusionen in den letzten zwanzig Jahren schon näher gekommen, so dass er heute 13 von 16 Bundesländern abdeckt. Dabei konnte der „Genossenschaftsverband“ seit 1990 in den neuen Bundesländern - bis auf Sachsen - ebenfalls der maßgebliche Prüfungsverband werden. Aber auch der letzte unabhängige große regionale Genossenschaftsverband in den neuen Bundesländern strebt nunmehr oder erweckt zumindest den Anschein, als ob er dies anstreben würde, eine Fusion mit dem „Genossenschaftsverband“ an. Eine bereits beschlossene Fusion mit einem Vorgänger dieses Genossenschaftsverbandes wurde allerdings schon 2003 von interessierter Seite im sächsischen Verband im letzten Moment „gekippt“ und auch jetzt wechselten des Öfteren die Ansichten und Äußerungen, ob und wann eine Fusion oder „Kooperation“ erfolgen soll oder nicht.

In den neuen Bundesländern gründeten sich aber schon ab 1990 zahlreiche regionale oder für bestimmte Arten von Genossenschaften sich zuständig fühlende Genossenschaftsverbände, die oft auch unabhängig von der üblichen genossenschaftsverbandlichen Organisation standen. Mittlerweile gibt es auch mehrere bundesweit tätige unabhängige genossenschaftliche Prüfungsverbände, die alle oder verschiedene Arten von Genossenschaften in ganz Deutschland zu ihren Mitgliedern zählen. Was bis 1990 in der „alten“ Bundesrepublik und zum Teil noch heute dort zunächst unvorstellbar und immer noch ungewöhnlich ist, dass eine Genossenschaft auch tatsächlich die Wahl zwischen mehreren genossenschaftlichen Prüfungsverbänden hat und nicht zwangsläufig Mitglied eines bestimmten Verbandes werden muss.

Feststellbar ist insbesondere in den neuen Bundesländern, aber mittlerweile auch darüber hinaus, dass die Genossenschaften einen Prüfungsverband wünschen, der einen regionalen Bezug und/oder einen solchen zu dem besonderen Geschäftszweig der jeweiligen Genossenschaft hat. Die Genossenschaften sind immer weniger bereit, Mitglied des ihnen zugewiesenen genossenschaftlichen Prüfungsverbandes zu sein, sondern wünschen sich einen Verband, der aus ihrer Sicht für sie „der Beste“ ist. So ist nunmehr neben den zahlreichen kleinen und auch in den letzten Jahren neu gegründeten genossenschaftlichen Prüfungsverbänden in den neuen Bundesländern zu erkennen, dass das Ziel eines einheitlichen gesamtdeutschen „Genossenschaftsverband“ nicht von allen Genossenschaften mitgetragen wird und diese auch in der „alten“ Bundesrepublik beginnen, neue eigenständige Verbände zu gründen.

Rational erklärbar und nachvollziehbar ist es immer weniger, warum Genossenschaften ihren Wirtschaftsprüfer nicht ebenso frei wählen können wie prüfungspflichtige Kapitalgesellschaften und warum es keine Prüfungsverbände für Kapitalgesellschaften und andere Unternehmensformen gibt oder warum solche nur bei Genossenschaften existieren müssen.

Auf Anregung durch eine Petition beim Deutschen Bundestag hat der Petitionsausschuss empfohlen, dass zumindest für sehr kleine Genossenschaften und solche im caritativen Bereich tätige die Prüfungspflicht und der Zwang zum Beitritt bei einem Prüfungsverband entfallen soll. Dazu erklärte das Bundesministerium der Justiz bereits seine Zustimmung. ► Artikel aus der Südwestdeutschen Zeitung

Vermutlich auf Anregung und unter Beratung eines Genossenschaftsverbandes, der selbst nicht Prüfungsverband ist und daher in dieser Hinsicht unabhängig ist und keine entsprechenden erwerbswirtschaftlichen Zwecke verfolgt, hat die SPD-Fraktion des Bundestages unter dem Motto „Genossenschaftsgründungen erleichtern, Wohnungsgenossenschaften stärken, bewährtes Prüfsystem erhalten“ die Bundesregierung aufgefordert, einen Gesetzentwurf zur Änderung des Genossenschaftsgesetzes vorzulegen. Nach Vorbild der als Konkurrenz zur „limited“ gedachten „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ soll auch für die Rechtsform der Genossenschaft eine „Kooperativgesellschaft (haftungsbeschränkt)“ eingeführt werden. Begründet wird dies mit den auf der Pflichtprüfung und der Zwangsmitgliedschaft beruhenden vergleichsweise hohen Kosten der Rechtsform Genossenschaft und den weiteren zusätzlichen Aufwand. Bemerkenswert ist dabei schon, dass die SPD dann bereits am 15. Juni 2012, also schon vor der Veröffentlichung der entsprechenden Pressemitteilung, ihren Antrag wieder zurückzog. Dieser ist damit zurzeit nur hier verfügbar. Angeblich soll der Antrag so oder geändert später nochmals gestellt werden.

► SPD Antrag: Genossenschaftsgründungen erleichtern, Wohnungsgenossenschaften stärken, bewährtes Prüfsystem erhalten

►Pressemitteilung des Deutschen Bundestages vom 03. Juli 2012

Da es die genossenschaftliche Pflichtprüfung und den Zwang, Mitglied eines genossenschaftlichen Prüfungsverbandes zu sein, nur in Deutschland und Österreich gibt, kann es gut sein, dass früher oder später, direkt oder mittelbar unter Einfluss der Europäischen Union diese Sonderregeln weiter abgeschwächt oder ganz abgeschafft werden. Die Einflussnahme der genossenschaftlichen Prüfungsverbände auf die bundesdeutsche Politik könnte irgendwann nicht mehr ausreichend sein, auch hier den vollen Wettbewerb und die Gleichbehandlung mit anderen Rechtsformen zu verhindern. So wandte sich der Ministerpräsident Hessens, Volker Bouffier, auf einer Feier zum 150-jährigen Jubiläum der Gründung einer der 16 Vorgängerorganisationen des „Genossenschaftsverband“ gegen angebliche Pläne des EU-Kommissars Michel Barnier, „das Prüfungsrecht der Verbände auf dem Altar einer europäischen Richtlinie zu opfern.“ ► Pressemitteilung Genossenschaftsverband e.V.

Vermutlich überdenkt der zuständige EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen (u. a. Aufgabe: Abbau von Markthindernissen) aber nicht, den Verbänden das Recht zur Prüfung zu nehmen, sondern nur das Monopol, Genossenschaften prüfen zu dürfen, und den Zwang, Mitglied eines Prüfungsverbandes zu sein. 

Rechtsanwalt Ulrich Northoff, 09. August 2012

 

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